Montag, 14. August 2017

Wie der Schichtdienst eine Familie kaputt macht

Heute schreibe ich mir ein Thema von der Seele, was mich sehr beschäftigt. Es geht dabei um die Arbeitszeiten meines Mannes und Vaters meiner zwei Kinder.

Eins vorweg: Keiner hat es leicht! Jeder Elternteil kämpft mit seinem Elterndasein - ob nun Alleinerziehend oder zu zweit, ob als Patchwork-Konstellation oder wie auch immer. Aber jeder empfindet seine Situation anders. Was für den einen "nicht ertragbar" ist, empfindet ein anderer vielleicht als "Super, steck Du erstmal in meinen Schuhen!!!" Wisst ihr wie ich das meine?
Für mich ist unsere Situation derzeit kaum noch tragbar. Aber beklagen darf ich mich nicht! Denn zum einen hat mein Mann gute Arbeit, die uns unser Leben finanziert und zum anderen wusste ich vor beiden Kindern, welchem Job er nachgeht und dass dieser im Schichtdienst geleistet wird. Aber ich hatte keine Vorstellung was Schichtdienst mit einem oder gar mehreren Kindern bedeutet.
Ich möchte auch garnicht, dass jetzt jemand meint "Die Arme!", ich es mir einfach von der Seele schreiben. Rein therapeutisch, sozusagen.


Worum geht es?
Mein Mann arbeitet seit Jahren bei einer Firma, die im so genannten Vollschichtsystem das ganze Jahr rund um die Uhr arbeitet, bzw arbeiten lässt. Feiertage, Wochenende - es wird gearbeitet! Fällt eine Schicht auf Weihnachten, kann er sich Urlaub nehmen, keine Frage, aber er hat nicht mehr Urlaubstage als ich im Büro, die an Neujahr oder Himmelfahrt nicht arbeiten muss und keinen Urlausbtag dafür verliert.

Um welche Schichten geht es?
Frühschicht ist von 6 bis 14 Uhr, Spätschicht ist von 14 bis 22 Uhr und Nachtschicht ist von 22 bis 6 Uhr am nächsten Tag. Mein Mann hat zwar einen relativ kurzen Arbeitsweg, hat aber Vor- und Nachbereitung, sodass er immer eine Stunde vor Schichtbeginn das Haus verlässt und gut eineinhalb Stunden nach Schichtende erst wieder daheim ist.

Wann arbeitet er wie?
Er hat zwei Frühschichten, dann zwei Spät- und dann zwei Nachtschichten. Danach hat er drei Tage frei, wobei der am ersten freien Tag morgens von der Schicht nach Hause kommt. Er hat also prinzipiell ein Wochenende wie jeder andere auch mit zwei Tagen (plus einige Stunden). Wer jetzt nachrechnet, stellt fest, dass er nicht von montags bis freitags arbeitet. Er hat also selten seine zwei freien Tage am Wochenende für Normalos, wie ich es nenne.

Was ist das Problem?
Das Problem sind die Schlafenszeiten und der Biorhythmus.
Bei der Frühschicht kommt mein Mann gegen 15:30 Uhr nach Hause. Wenn sein Biorhythmus nicht komplett durcheinander ist, dann hat er diesen Nachmittag Zeit für die Kinder. Bei der Spätschicht sieht er die Kinder unter der Woche meist garnicht, weil er erst aufsteht, wenn die Kinder schon im Kindergarten sind und abends so spät wiederkommt, dass sie schon schlafen.
Nachtschichten sind eigentlich die Schichten, die ich am meisten hasse und die mich an den Rande meines Belastbarkeit bringen. Ja, ich bin nicht diejenige, die sie leistet. Er arbeitet hart, körperlich und geistig. Er ist selbstverständlich kaputt nach der Arbeit und vor allem wenn er schlafen muss bzw kann, wenn der Rest der Welt normal lebt und Rasen mäht, Zäune repariert oder mit der Motorsäge seinen Garten bearbeitet. Tagsüber schlafen müssen, ist nicht einfach. Das will ich garnicht unter den Teppich kehren.

Mein eigentliches Problem liegt eigentlich in folgendem:
Den Vormittag sollte es im Haus ruhig sein. Unter der Woche kein Problem. Aber am Wochenende? Zwei Kinder im Alter von vier und knapp zwei Jahren spielen aber nicht leise. Und sie wollen auch  nicht den ganzen Vormittag fernsehen. Also heißt es raus! Raus auf den Spielplatz, raus in den Wildpark, in den Zoo, wo auch immer. Aber raus! Und weil wir erst gegen neun Uhr rauskommen, der Papa sechs Stunden Schlaf haben soll, muss es was sein, dass wir erst gegen 15 Uhr wieder lärmen. Im Sommer ist das nicht weiter schlimm. Es ist ja auch nicht jedes Wochenende und auch nicht immer beide Tage des Wochenendes. Aber es zehrt an mir. Denn im Norddeutschen Sommer schüttet es gerne mal. Was macht man bei Regen? Indoorspielplatz! Alles klar. Oder zu meinen Eltern, die nur 30 Autominuten entfernt wohnen.

Klingt doch, als ob ich alles im Griff hätte. Sicher! Habe ich auch. Aber Es läuft nicht immer rund.
Nach den zwei Nachtschichten hat mein Mann oft das Problem, dass der Biorhythmus durcheinander ist. Er wacht dann also an den freien Tagen oder den Frühschichttagen um zwei oder drei Uhr morgens auf und kann nicht mehr schlafen. Dementsprechend müde ist er an diesen Tagen dann. Auch da versuche ich ihm dann am Nachmittag die Kinder abzunehmen, mit ihnen etwas außerhalb des Hauses zu unternehmen, damit er am Nachmittag schlafen kann.

Wir haben zwar einen kleinen Garten, den meine Mutter großzügig mit Rutsche, Spielehaus und Sandkasten ausgestattet hat. Aber auch diesen Lärm hört man extrem im Haus.

Ich kann manchmal einfach nicht mehr! Ich kann den Zoo, den Wildpark oder andere Freizeitaktivitäten nicht mehr sehen. Denn am Wochenende sind dort Familien. Mama, PAPA und Kind(er). Anfangs hat mich das nicht gestört. Mittlerweile macht es mich traurig. Denn der Papa kommt bei uns nicht mit - er schläft oder arbeitet! Auch ist es für die Kinder nichts besonderes mehr.

Die Kinder, besonders der Große, ist oft traurig, weil zum Beispiel im Freizeitpark viele Dinge nur mit einem Erwachsenen machen kann. Ich muss aber gleichzeitig auch ein Auge auf die Lütte haben, die das Fahrgeschäft noch nicht nutzen kann (zu klein oder es dürfen maximal zwei Personen fahren). Toll!

Auch die Unsicherheit ist groß: der Große fragt jeden Nachmittag, wenn wir vom Kindergarten kommen "Ist Papa heute da?" Er hat keine Regelmäßigkeit. Er hat keine Beständigkeit. Auch in der Erziehung schlägt sich das nieder. Denn an Vormittagen, an denen ich mal nicht flüchten kann, lasse ich viel durchgehen. Denn Protest oder gar Geschrei kann ich mir nicht erlauben. Das hat wieder zu Folge, dass an anderen Tagen, viel länger gebettelt wird, weil gestern durften sie dies oder das doch aber.

Mein Mann ist der Meinung, dadurch, dass er an Fühschichttagen und an seinen freien Tagen mehr Zeit für die Kinder hat, als andere Papas, die erst zum Abendessen oder später nach Hause kommen, ist alles in Ordnung. Aber die Qualität der Zeit lässt zunehmend nach. Er ist einfach kaputt. Weil er sehr früh aufgestanden ist oder die Nacht zuvor kaum geschlafen hat.

Bei einem Grillabend mit seinen Kollegen vor ein paar Jahren meinte ein Kollege, der Kinder in der Pubertät hat, dass sich das alles relativieren würde. Die Kinder würden größer, der Stress, das Haus zu verlassen, würde weniger. Ich hoffe darauf. Denn ohne Zweifel ermöglicht der Schichtdienst und einiges. Die Zulagen sind nicht wenig. Aber wenn ich das rechne, was ich an Benzin dafür verfahre, und an Eintritten und anderen Kleinigkeiten verprasse, denke ich nicht, dass wir finanziell besser dastehen als ohne. Wenn mich jemand fragt, ob Geld glücklich macht, dann lautet meine Antwort eindeutig "Nein!" Ich würde meinen Kindern lieber mehr Zeit mit Papa zu Hause als wöchentliche Ausflüge wünschen!

Manchmal, wenn mir wieder alles zu viel wird. Denn die Hausarbeit bleibt liegen, weil man wieder nur unterwegs war. Dann denke ich manchmal, es wäre schöner nicht ständig Rücksicht nehmen zu müssen. Die Kinder im Haus toben zu lassen, während man die Wäsche erledigt oder den Staubsauger schwingt.  Ich möchte damit garnicht sagen, dass ich lieber Alleinerziehend wäre. Denn alles allein zu machen, ist sicher nicht einfacher. Alle Entscheidungen für die Kinder allein zu treffen.
Und da wären wir wieder an dem Punkt, dass jeder mal mit seinem Schicksal hadert. Sich in die Schuhe eines anderen wünschen, weil der es vermeintlich einfacher im Leben hat. Hat er aber nicht. Jeder kämpft mit seinen Problemen. Und jeder empfindet sie als mehr oder minder schwer.

Mir tut es gut "mein Problem" nieder zu schreiben. Denn beim mehrmaligen lesen des Textes, empfinde ich es garnicht mehr als so schwerwiegend. Auch ich habe gute und schlechte Tage und stecke es mal mehr als weniger gut weg.

Ich habe mir dieses Leben "alleinerziehend mit Mann", wie ich es gern nenne, ausgesucht. Also darf ich nicht meckern.

Wähle weise mit wem Du Dein Leben teilst!


1 Kommentar:

  1. Ich bin gerade auf deinen Artikel gestoßen und fühle ihn so sehr. Wie ging es euch in den Jahren danach ? Ist ja schon ein weilchen her ,dein Artikel. Meine kinder sind 3 und 1,5 und ich betreue beide daheim + meinen Mann mit Schichtarbeiten. Bei ihm laufen die Schichten mittlerweile Wochenweise. Frühschicht und Spätschicht stecken wir gut weg ,aber die Nachtschichtwoche bringt mich sehr oft gegen Ende der Woche an den Rande meiner Kräfte. Die Schlaf Qualität lässt bei ihm nach und seine Nerven werden dann hauchdünn.
    Ich betreue beide Kinder bis zum Kindergartenstart mit 3 Jahren daheim ,was wir uns beide gewünscht haben und auch nicht bereuen. Aber sehr oft frage ich mich, ob es der richtige Weg ist ,so weiter zu machen. Ich würde mich freuen von dir zu hören, wie es bei euch in den Jahren danach weiterging.liebe Grüße

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